06.12.2018 – Martinas Donnerstag

06.12.18

Heute gilt es, das Lager vollends aufzuräumen und die Ladung von den Autos/LKW’s zu verteilen.

Auf dem Weg zu unserer Verteilstation riss
der Himmel auf und uns war allen der schöne Satz im Kopf: „Wenn Engel reisen…“Wir waren heute mit einem gefüllten Sattelzug unterwegs, hatten zwei Abladestationen und dort insgesamt ca. 350 Familien zu versorgen. Natürlich hatten wir mehr als genug dabei und heute musste auch keiner Angst haben, dass er zu kurz kam. Bei einer so groß angekündigten Zahl von Familien haben wir immer großen Respekt. Jeder Mensch weiß ja, dass viele Menschen auch immer etwas unkontrolliert sein können. Jedoch lief heute alles super entspannt. Die Rektorin der Schulen hatte Listen, nach welchen sie die Familien aufrief, diese durften dann zu uns kommen und wir haben die Familie mit Lebensmitteln und Hygieneartikel versorgt. Teilweise kamen auch die Kinder, die in der Schule waren und haben ihr zugeteiltes Paket für die Familie abgeholt. Wir hatten wunderschöne Momente mit den Kleinen und auch glückliche Gesichter der Eltern, alles in allem einfach schön. Von der Rektorin wurden wir dann zu einer Brotzeit eingeladen. Es gab Kaffee und Tee, Rohmilchkuhkäse, so etwas ähnliches wie Ajvar (natürlich selbst gemacht), Weißbrot, trockenen Kuchen und leckere selbstgemachte Kekse gefüllt mit Schokolade und/oder Karamell. Diese Gastfreundschaft haben wir sehr genossen. Man muss sagen, das erlebt man hier in Rumänien sehr oft.

Die zweite Verteilstation war nur 7km entfernt, die Rektorin war die gleiche, so hatten wir die gleich gut durchorganisierte Situation, alles lief wie am Schnürchen. Und siehe da → der LKW war danach tatsächlich leer.

Der LKW fuhr direkt mit zwei aus unserem Team zum Lager, der Rest machte sich auf mit mir nach Predesti. Ja, genau wir haben es tatsächlich geschafft. Wir haben uns mit einer Frau der Gemeinde an der Schule dort getroffen und sind dann gemeinsam mit ihr zu dem Jungen gefahren. Wir waren alle sehr gespannt, was uns hier erwartet. Das es nicht gut wird wussten wir wahrscheinlich vorher schon. Was man hier in Rumänien leider sehr schnell lernt ist, dass es immer noch schlimmer geht. Wir kamen vor dem Haus an, wenn man es Haus nennen will. Das Tor der Einfahrt stand leicht offen, wir gingen rein und standen dann auch schon direkt im Schlamm. Ja man kann wirklich Schlamm sagen. Es ging leicht bergauf an der Hofeinfahrt und rechts Stand das Häuschen oder besser gesagt kleines baufälliges kurz vor dem Zusammenbruch stehendes Minihäuschen mit irgendwelchen Nebengebäuden, die aus Blech und keine Ahnung was alles zusammengestellt waren. Der Junge kam uns schon wieder nur mit Badeschlappen ohne Socken und Jacke entgegen. Dann wurden wir in das Haus geführt, haben uns aber kaum getraut einzutreten. Wahnsinn, es gab nicht einmal einen festen Boden. Wir standen auf der Erde, also auf richtiger Erde. Die Omi war sehr dünn, man hat ihr angesehen, dass sie nicht viel zu Essen hat. Bilder vom inneren des Hauses gibt es leider nicht, die beiden haben sich dafür geschämt, sie wollten nicht, dass wir das festhalten und das respektieren wir natürlich. Wenn ich ehrlich bin kommt man sich manchmal auch blöd vor, von dem Leid der anderen ein Foto zu machen, aber wir wollen euch auch alle teilhaben lassen, damit ihr euch einfach ein besseres Bild machen könnt. Ich brauchte eine Weile bis ich realisiert habe wo ich bin und dass ich keinen Alptraum habe. Tatsächlich stand ich dort und wusste, dass unsere Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein wird. Aber die Omi und der Junge werden erstmal keinen Hunger haben. Vielleicht bis im Frühjahr, vielleicht länger. Wir haben zig Lebensmittelpäckchen ausgeladen, Hygieneartikel (hier hoffe ich, dass sie auch genutzt werden…), neue Kleidung, etc. Eben alles was für uns eine Selbstverständlichkeit ist. Den beiden war es sichtlich peinlich und ich hoffe wirklich sehr, dass wir ihnen ein bißchen Hoffnung schenken konnten und dem Jungen haben wir schon angedroht, dass wir auf ihn ein Auge werfen, dass er einfach mehr kämpft und sich kümmert, vor allem auch um sich. Am liebsten würde ich ihn dort rausholen, aber das ist gar nicht so einfach und für den Jungen wahrscheinlich nicht mal das beste. In solchen Momenten muss man dann aber gehen. Das alles zurücklassen. Wir verabschieden uns von ihm bis nächstes Jahr. Er lächelt… seine blauen Augen leuchten, seine frechen Grübchen kommen zum Vorschein, die Sonne geht auf…wir verdrücken uns die Tränen, doch die eine oder andere kullert dann doch über das Gesicht. Viel wurde auf der Rückfahrt nicht gesprochen, man ist fassungslos und dieser gesehene Ort wird uns noch lange begleiten… Aller spätestens nächstes Jahr werden wir wieder zurückkehren. Bis dahin müssen wir und auch er klar kommen.

Im Lager angekommen wartete schon eine Frau, welche mit uns noch Familien besuchte direkt in Craiova. Auch hier taten sich wieder Abgründe auf….

Es ist nach Mitternacht… ab ins Bett jetzt, morgen fahren wir wieder nach Hause, zu unseren Familien, in unseren Wohlstand… ich freue mich drauf und gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen. Wir können nicht erwarten, dass alles vom Himmel aus geregelt wird, nein wir müssen selbst Hand anlegen, um etwas zu ändern. Auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist, immer noch besser als nichts.

Danke hier noch an alle, alle die dies lesen und vielleicht nachvollziehen können, was auf der Welt geschieht. Danke an alle Päckchenpacker, in jedem Päckchen war Freude und Hoffnung eingepackt. Danke, dass auch ihr an dieses Projekt glaubt und uns unterstützt.

Eure Martina